Doping
Es hat seine Reize, die alljährlichen Veränderungen der Verbotsliste im Detail zu betrachten und so Stück für Stück die Entwicklung des Dopings im Sport nachzuzeichnen, doch würde es den Rahmen dieses Buches sprengen. Die Darstellung der aktuellen Verbotsliste 2020 zeigt zum einen den Status quo der Antidoping-Bestimmungen und stellt gleichzeitig ein Beispielkapitel aus dem aktuellen Buch „Arzneimittel und Doping“ von Thomas Riedl dar; siehe Seite „Aktuelles“.
In diesem Buch finden Sie zu sämtlichen verbotenen Wirkstoffklassen ausführliche Erläuterungen und Hinweise auf mögliche Dopingfallen durch Arzneimittel – auch wenn sie ärztlich verordnet sind!
Seit 2018 fällt auf, dass die WADA viel mehr Wirkstoffbeispiele expressis verbis ergänzt. Ein Auslöser dafür war Trimetazidin, dessen Aufnahme in die Verbotsliste von vielen Topsportlern nicht zur Kenntnis genommen wurde, sodass es mehr als 100 diesbezügliche Aufdeckungen und Sanktionen gab. Im Sinne eines Brückenschlags will man der „Ahnungslosigkeitsstrategie“ einzelner Sportler und Verbände stärker entgegentreten, die im Fall des Nachweises einer ungenannten Substanz keine Vorstellung gehabt haben wollen, dass es sich – die nicht-spezifizierten S6.a Stimulanzien und die S7 Narkotika ausgenommen – stets um beispielhafte Substanznennungen handelt, die chemisch oder pharmakodynamisch analoge Wirkstoffe und Derivate einschließen. An verschiedenen Stellen abgedruckte Passagen wie „and their metabolites and isomers, including but not limited to“, „and other substances with similar chemical structure or biological effect(s)“ oder „including all optical isomers, e.g. d- and l- where relevant, are prohibited“ scheinen je nach Betrachtungsweise für ausgefuchste oder kreative Geister einen zu großen Spielraum offenzulassen, und davor will oder muss man die SportlerInnen schützen. Gleichzeitig lässt die WADA z.B. bei den Wachstumsfaktoren (S2.2.3) und den gentechnischen Fortschritten (M3) keinen Zweifel, dass sie alle Neuentwicklungen dieser verlockenden Leistungsverbesserer sehr genau verfolgt. Die SportlerInnen dürfen auch davon ausgehen, dass eine entsprechende Analytik vorhanden ist, sodass die Verbotsbestimmungen keinesfalls zahnlos sind.
Als Service sind zu den verbotenen Substanzen jeweils gebräuchliche registrierte Arzneispezialitäten erwähnt. Dies ist natürlich keinesfalls als Kriminalisierung der Medikamente gedacht, soll aber ein unmittelbareres Bewusstsein wachrufen, dass sowohl die ärztliche Verordnung als auch der Erwerb von rezeptfreien Apothekenprodukten ohne flankierende Erwirkung einer medizinischen Ausnahmegenehmigung (Therapeutic Use Exemption, TUE) gegebenenfalls ein Doping-Vergehen begründet.
Großes Lob ist in jedem Fall darüber angebracht, dass die WADA ein weltweit uneingeschränkt gültiges und von den meisten Staaten ratifiziertes Instrument geschaffen hat, das die Bedingungen für alle Topsportlerinnen und Topsportler im Ringen um Medaillen, Ruhm und Geld gleich gestaltet.
Hand in Hand mit der Entwicklung immer besserer analytischer Methoden war es möglich, der missbräuchlichen Verwendung von Pharmaka im Sport wirksam Paroli zu bieten.
Sektion I: Substanzen (S) und Methoden (M), die im Training und im Wettkampf verboten sind, „In- and Out-of-Competition“
Substanzen
S0 Nicht zugelassene Substanzen
S1 Anabole Substanzen
S1.1 Androgene anabole Steroide (AAS)
S1.2 Andere anabole Wirkstoffe
S2 Peptid-Hormone, Wachstumsfaktoren, verwandte Substanzen und Mimetika
S2.1 Erythropoietine (EPO) und andere Wirkstoffe, die die Erythropoiese fördern
S2.1.1 Erythropoietin-Rezeptor-Agonisten
S2.1.2 Den Hypoxie-induzierbaren Faktor (HIF) aktivierende Wirkstoffe
S2.1.3 GATA-Inhibitoren
S2.1.4 Hemmstoffe des Transforming Growth Faktor beta
S2.1.5 Agonisten an natürlichen Reparatur-Rezeptoren
S2.2 Peptidhormone und ihre Releasing-Faktoren
S2.2.1 Choriongonadotrop(h)in (CG) und Luteinisierendes Hormon (LH) bei männlichen Athleten
S2.2.2 Corticotrop(h)ine
S2.2.3 Wachstumshormon
S2.3 Wachstumsfaktoren und Wachstumsfaktor-Modulatoren
S3 Beta-2-Agonisten
S4 Hormon- und metabolische Modulatoren
S4.1 Aromatase-Inhibitoren
S4.2 Selektive Estrogen Rezeptor Modulatoren (SERMs)
S4.3. Andere Antiestrogene
S4.4. Stoffe, die die Aktivierung des Activin IIB-Rezeptors verhindern
S4.5. Metabolische Modulatoren
S4.5.1 Aktivatoren der PPARd-AMP-aktivierten Proteinkinase und Peroxisomen-Proliferator-aktivierte d-Rezeptor-Agonisten
S4.5.2 Insuline und Insulin-Mimetika
S4.5.3 Meldonium
S4.5.4 Trimetazidin
S5 Diuretika und maskierende Verbindungen
Methoden
M1 Manipulation mit/von Blut und Blutbestandteilen
M1.1 Blutdoping i.e.S.
M1.2 Künstliche Sauerstoff-Träger
M1.3 Jede Form der intravaskulären Manipulation mit Blut und mit Blutkomponenten
M2 Chemische und physikalische Manipulation
M2.1 Probenmanipulation und/oder -verfälschung
M2.2 Intravenöse Infusionen
M3 Gen- und Zelldoping
M3.1 Der Gebrauch von Nukleinsäure-Polymeren und Nukleinsäure-Analoga, die in der Lage sind, Genomsequenzen und/oder die Genexpression – über welchen Wirkungsmechanismus auch immer – zu verändern. In dieser Definition sollten alle Technologien wie das Editieren von Genen, das Stummschalten von Genen oder der Gentransfer subsumiert sein, sie ist versteht sich aber nicht nur auf die derzeit bekannten Techniken beschränkt.
M3.2 Die Anwendung normaler oder genetisch veränderter Zellen
Sektion II: Substanzen und Methoden, die im Wettkampf verboten sind, „In-Competition“
Alle Substanzen und Methoden der Sektion I zuzüglich
S6 Stimulanzien
S6.a Nicht spezifizierte
S6.b Spezifizierte
S7 „Narkotika“, ins Deutsche besser übersetzt mit „Schmerzmittel vom Opioid-Typ“
S8 Cannabinoide
S9 Glucocorticoide, Glucocorticosteroide, „Cortison“
Anmerkungen von 2012 unverändert gültig
Sektion III: Substanzen, die in bestimmten Sportarten verboten sind
P1 Beta-Blocker inklusive gemischte a-/b-Blocker
Monitoring-Programm
- Ecdysteron (zu S1 Anabole Steroide gerechnet) während Trainingsperiode und Wettkämpfen
- Gleichzeitiger Gebrauch mehrerer erlaubter S2 Beta-2-Agonisten während Trainingsperiode und Wettkämpfen
- 2-Ethylsulfanyl-1H-benzimidazol = Bemitil während Trainingsperiode und Wettkämpfen
- S6 Stimulanzien Bupropion, Coffein, Nikotin, Phenylephrin, Phenylpropanolamin, Pipradrol und Synephrin während der Wettkämpfe
- S7 Narkotika Codein, Hydrocodon, Tramadol während der Wettkämpfe
- S9 Glucocorticoide alle Verabreichungsformen für die Ausnahmebestimmungen bestehen während der Wettkämpfe sowie alle Verabreichungsformen während des Trainings